Was nicht von hier ist, kommt von anders wo und wird anders gesehen. Was hier ist, bleibt auch wenn es sich verändert. Tanz am äußern Rand….
– Tanzperformance (Dauer 31min) von  Oleg Kaufmann

Ich komme vom Wasseramt, bin dort aufgewachsen. Damit ich auf das Gelände der Cellulosefabrik komme, muss ich die Aare überqueren, schwimmend.  Das ist mein Weg dorthin, stimmig war es, dies auch innerhalb einer Performance zu machen. Nur war die Aare im Oktober langsam kalt geworden. Ich hatte bedenken, ich wollte nicht untergehen, vor Zuschauern. Denn ich würde auch nackt sein. Also kein Schwimmanzug usw. Am Schluss meinen die dann noch, es gehöre mit dazu das Ertrinken. Also nein. Darum filmten wir dies einen Tag zuvor. So konnte ich die Projektion zeigen und in die Performance integrieren. Also haben wir am Tag davor alles vorbereitet. Kabelleitungen verlegt, Videoprojektor gehängt, Leinwand vor’s Fenster gehängt. Alles war perfekt geplant, den Ablauf haben wir mehrmals geübt und durchgesprochen. Die Struktur der Performance war fixiert, innerhalb dessen aber immer noch Raum und Zeit Neues entstehen zu lassen.

Der Samstag 29. Oktober hatte es dann in sich. Eine Stunde vor Aufführung war alles bereit, alles gecheckt, Akkus geladen, usw. Ich musste also nicht durch die Aare schwimmen. Würde dem entgehen.  Ich würde unterhalb des Aufführungsraumes, in einem ein Meter hohen Kellerraum warten, bis das Video mit der Schwimmaufnahme zu Ende wäre. Dann würde ich auf Live-Kamera umschalten und direkt das Bild vom Raum unterhalb der stattfindenden Performance auf den Beamer übermitteln. Der Raum hatte es in sich, voll mit Staub, wie Asche, wahrscheinlich nicht gesund, ich fand es sehr interessant. Stimmig.

Fünfzehn Minuten vor der Aufführung kamen wir wieder in den Raum, aber oh Schreck, der Videobeamer war aus. Was war passiert? – Schnell Neustart der Technik, aber die Übertragung funktionierte nicht mehr. Weder das aufgenommene Video mit der Durchquerung der Aare, noch die Live-Cam Funktion konnte wiedergegeben werden. Die Zeit rann dahin, ich konnte sie regelrecht spüren.  Schon sammelten sich Leute vor der Tür, Annette informierte diese, dass es bald losgehen würde. Aber der Fehler in der Technik war nicht zu finden… Immer mehr Zeit fiel dahin, noch mehr Leute am Warten. Es gab kein zurück mehr. Wir änderten den Ablauf. Extrem kurzfristig.

So kam es doch dazu, ich rannte in Kleidern auf die andere Seite der Aare und stellte meinen Körper während dem Rennen darauf ein, dass es jetzt dann unglaublich kalt werden würde. Ich schmiss meine Kleider und meine Schuhe hinter einen Baum, war nackt und begann mit der Performance.  Annette begann zur gleichen Zeit im Raum. Die Zuschauer konnten mich so nun live durch die Öffnung in der Wand sehen. So war der ganze Ablauf komplett anders als geplant. Annette und ich versuchten einen neuen Weg zu finden, durch die Spuren durchs Wasser im Staub.

Alles ging gut, kein Ertrinken, wir konnten zusammen einen Weg gehen, die Zuschauer verfolgten interessiert unser Tun. Bis zum Schluss lief es reibungslos. Ganz am Ende entschied ich mich, wieder in die Aare zu springen, wieder zurück zum Wasseramt, dorthin von woher ich gekommen bin. Und blieb gnadenlos in Brombeersträuchern hängen. Machte aber trotzdem noch den Sprung ins kalte Nass….
Ein blutüberströmtes Bein nahm ich mit von diesem Tag, wurde verarzt und fühlte mich unglaublich lebendig!

PS: Nackt war ich, weil mein Vater Herbert Kaufmann, Fotograf, schon in meinem jüngsten Jahren inszenierte Fotos von mir machte, unter anderem ich nackt mit grossen Arbeitsschuhen an den Füssen. Darum nackt, das Ankommen, der Weg, der Weg zum Ursprung meiner Kunst, auch der Missbrauch des Körpers. Alles war da drin in dieser Performance.

Die Reise zum Ursprung geht weiter in einer Tanzperformance im Berntor Parking in Solothurn. Tief unten, im dunkeln, wummert es und dröhnt. Ich freue mich, mit Weggefährten die nächste Etappe in meinem künstlerischen Tun zu begehen.

Reise zum Ursprung, Tanzperformance im Berntor Parking Solothurn.
Premiere FR 28. April 2017, 21:00 Uhr, weitere Vorstellungen 22:00 Uhr und 23:00 Uhr
Samstag 29. April 2017, 20:00, 21:00 und 22:00 Uhr im Rahmen der Kulturnacht Solothurn.
Idee, Konzept: Oleg Kaufmann
Entwicklung kollektiv unter den teilnehmenden KünstlerInnen:
Sunita Asnani (Bern)–Tanz/Performance, Annette Kaufmann (Recherswil)–Tanz/Performance, Marc Rossier (Bern)–Livemusik, Nicolas Wiese (Berlin)–Video/Sound, Lisa Jenny (Bern)–Performance, Oleg Kaufmann (Recherswil)–Tanz/Performance.

PS: Nicolas Wiese und Sunita Asnani waren alle auch Teilnehmende der Kettenreaktion 2016. Ihr Tun dort hat mich auch dazu verleitet, diese für das neue Projekt „Reise zum Ursprung“ anzufragen. So geht sie irgendwie weiter die Kettenreaktion.